K. Lüönd: Versuch, Erfolg, Irrtum

Cover
Titel
Versuch, Erfolg, Irrtum. Telekomindustrie von Hasler zu Ascom


Autor(en)
Lüönd, Karl
Reihe
Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik (116)
Erschienen
Zürich 2020: Verein für wirtschaftshistorische Studien
Anzahl Seiten
128 S.
von
Christoph Zürcher

Karl Lüönd, bekannter Schweizer Journalist und Publizist, verfasste schon über 60 Biografien und Sachbücher zu wirtschafts- und medienhistorischen Themen. Für Sachkunde, Spannung und gediegenen Stil ist also gesorgt.

1963 publizierte der ehemalige Hasler-Mitarbeiter Walter Keller in dieser Reihe (Band 14) eine Doppelbiografie der Hauptprotagonisten der Hasler-Geschichte. Lüönd erweitert in seinem Nachfolgewerk die Personengeschichte zur Firmengeschichte. Damit ergibt sich eine klare Gliederung des Bands in vier Teile: I. Gustav Adolf Hasler (1830 – 1900) – Wurzeln und Wachstum; II. Gustav Hasler (1877 – 1952) – Von der Werkstätte zur Industrie; III. Neue Trägerschaft, neue Horizonte und eine grosse Fusion; IV. Turbulenzen und Neustarts.

Für den Aufbau eines Telegrafennetzes gab es keine privaten Anbieter in der Schweiz. Deshalb schuf der Bund 1852 die Eidgenössische Telegraphenwerkstätte. Hier begann der 24-jährige Handwerker Gustav Adolf Hasler 1855 seine Karriere. Mit 30 Jahren war er bereits Chef des Betriebs, und 1865 wurde er dessen Eigentümer, da der Bund sein «Start-up» privatisierte. Die folgenden Jahre zeigten: Harte Zeiten für Unternehmer sind innovative Zeiten. Um Auslastungsschwankungen abzufedern, musste diversifiziert werden. Hasler konstruierte Wasserstandsanzeiger, meteorologische Geräte, Ausrüstungen für Sternwarten, Geschwindigkeitsmesser für Züge und vieles mehr. Um 1880 stieg er in die Telefonie ein mit Apparaten, Zentralen und Verteilanlagen. Erst jetzt wurde aus der Werkstätte das Industrieunternehmen. Als der Firmengründer Anfang 1900 starb, übernahm der Sohn Gustav mit 22 Jahren ohne höhere technische Ausbildung die Firma. Ein Treiber der weiteren Erfolgsgeschichte war der Siegeszug des Telefons. Hasler automatisierte die Zentralen und bot Hauszentralen an. Dazu kam die Hochfrequenztelefonie. Ein Höhepunkt der Firmengeschichte war der legendäre Kurzwellensender Schwarzenburg. Der Diversifizierung dienten die neuen Sparten der Frankiermaschinen und der elektrischen Zugsicherung.

Gustav Hasler blieb kinderlos. Er erwog deshalb 1927 die unkonventionelle Idee, den Konzern seinem wichtigsten Kunden zu schenken, nämlich der PTT. Das war politisch zu heikel. So übertrug er 1948 die Firma testamentarisch der Stiftung Hasler-Werke. Wie wäre wohl die Hasler-Geschichte verlaufen mit einer dritten Generation der Gründerfamilie?

Der Stifter legte zwei Stiftungszwecke fest. Mit den Kapitalerträgen sollte in Zusammenarbeit mit den Hochschulen das schweizerische Fernmeldewesen gefördert werden. Die Stiftung wurde schnell zum wichtigsten Treiber der Aus- und Weiterbildung. Sie vergab Stipendien und engagierte sich unter anderem für den Aufbau einer schweizerischen Softwareschule.

Zum Zweiten hatte der Stiftungsrat zusammen mit dem Verwaltungsrat den Konzern zu führen. Konnte das auf die Dauer gut gehen? Zunächst ging es gut, man stiess ins Gebiet der Halbleitertechnik vor, baute Registrierkassen und war auf vielen Gebieten innovativ. Aber der Konzern war ein «Gemischtwarenladen». Er profitierte davon, dass die Schweiz vom Krieg verschont geblieben war, bediente einen riesigen Markt mit schwachem Wettbewerb und verschlief die Digitalisierung – die Uhrenindustrie lässt grüssen! Kritisch wurde es, als in den 1990er-Jahren das PTT-Monopol zu wanken begann und von aussen GATT, EFTA und EU Druck machten für eine liberale globale Wirtschaftsordnung. Typisch ist das Scheitern des digitalen Grossprojekts Integriertes Fernmeldesystem (1969 – 1983). Es kostete 220 Millionen Franken. Die einzige Erkenntnis: Liberalisierung zwingt zur Grösse. Das führte 1986 zur Fusion von Hasler, Autophon und Zellweger zur Ascom. Doch der Schritt, von den Zeitgenossen als radikal empfunden, kam zu spät. Eine wirkliche Integration der vormaligen Konkurrenten fand nicht statt – und unterdessen ging der Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik mit rasanter Geschwindigkeit weiter. Investoren, Risikokapitalisten und Raider übten am Konzern, unter anderen die Schweizer Financiers Ernst Müller-Möhl und Tito Tettamanti.

Heute beliefert die Ascom als «One Company» praktisch ausschliesslich Spitäler mit Kommunikationslösungen und erwirtschaftete 2017 noch einen Jahresumsatz von 324 Millionen Franken (1987 waren es noch rund 2 Milliarden Franken). Was blieb, ist bis heute die starke bauliche Präsenz der einstigen Weltfirma im Berner Stadtbild.

Diese Entwicklung – ein Lehrstück der jüngsten Schweizer Industriegeschichte – wird geschickt visualisiert mit vielen Abbildungen von Produktionsstätten und Produkten, aufgelockert durch gut ausgewählte Originalzitate aus den Archiven und bereichert durch Kurzbiografien von handelnden Personen. Alles wird gestalterisch sehr ansprechend serviert.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Lüönd, Karl: Versuch, Erfolg, Irrtum. Telekomindustrie von Hasler zu Ascom. (Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Bd. 116). Zürich: Verein für wirtschaftshistorische Studien 2020. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 61-62.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 61-62.

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